„Und richtet euch nicht nach den Maßstäben dieser Welt, sondern lasst die Art und Weise, wie ihr denkt, von Gott erneuern und euch so umgestalten, dass ihr prüfen könnt, ob etwas Gottes Wille ist – ob es gut ist, ob es Gott gefallen würde und ob es zum Ziel führt.“ Römer 12,2 (NeÜ)

Die Art und Weise unseres Denkens von Gott erneuern lassen ist, wie Paulus es in diesem Vers beschreibt, die Voraussetzung, um prüfen zu können, was Gottes Wille ist, wie wir handeln sollen. Was meinte er damit? Unser Denken erneuern lassen. Wie geht das?

Wichtig scheint mir zu sein, dass es wohl eine Diskrepanz zwischen dem Denken Gottes und des Menschen gibt. Schon der Prophet Jesaja sagt, dass SEINE Wege höher sind als unsere und SEINE Gedanken nicht unsere Gedanken. (Jesaja 55, 8-9) Das anzuerkennen ist meines Erachtens der erste, wichtige Schritt zur Veränderung des Denkens. Denn es setzt dem existentialistischen Grundgedanken des René Descartes: „ich denke, darum bin ich“ eine andere Haltung entgegen. Mein Denken ist abhängig von meiner Beziehung zu Gott, von dem letztlich mein Denken beeinflusst wird. Deswegen ist der oberste Bezugspunkt meines Denkens nicht mein Ich, sondern Gott.

Solange diese Diskrepanz besteht, ist es für den Mensch ein Rätselraten und schlimmstenfalls eine schreckliche Fehlinterpretation von dem, was Gott will und denkt über die Menschen und diese Welt. Die Auswirkungen von solch einem Fehlinterpretieren Gottes können wir in der Geschichte bis heute verfolgen. Die Frage ist, was hat das Denken der Christen geprägt, dass solche gravierenden Missverständnisse über Gott stattfinden? Viele Christen sind darin getäuscht, dass sie davon überzeugt sind, wenn sie etwas verstanden haben (z.B. eine Predigt oder ein Buch) sie durch das Begreifen, die Erkenntnis in Besitz genommen hätten und sie so ein Bestandteil ihres Lebens wurde. Doch in dem Moment, in dem wir das Begriffene in die Praxis umsetzen sollen, erkennen wir, dass wir es nicht verstanden haben, weil wir es nicht tun können.

In der hebräischen Denkweise ist Verstehen eine Erfahrung! Aus dem Tun kommt das Denken. Das hellenistische Denken ist eher spekulativer, theoretischer Natur; das hebräische dagegen sehr praktisch.

Eine flüchtige Betrachtung der früheren griechischen Philosophen zeigt Grundzüge des hellenistischen Denkens. Für uns ist es interessant, festzustellen, dass diese Art reflektierender und logisch aufeinander aufbauender Sprache in der Bibel völlig unbekannt ist. Die frühe Kirche beschäftigte sich mit Glaubensbekenntnissen. Mit Aussagen und Lehren über Gott und Christus. Weniger Aussagen von Gott!

Die Bibel redet nie reflektorisch über z.B. die Einheit Gottes auf metaphysischer Ebene. Martin Buber drückt es so aus: „Gott macht keine philosophischen Feststellungen über sich selbst und spricht nicht in Formeln.“ (Quelle: on Judaism, S. 91)

Und Heschel fügt hinzu: „Der ‚Gott Israels’ ist ein Name, kein Begriff und der Unterschied zwischen beiden ist vielleicht der Unterschied zwischen Jerusalem und Athen. Ein Begriff gilt für alle Objekte von ähnlichen Eigenschaften; ein Name gilt einem Individuum. Der Name ‚Gott Israels’ bezieht sich auf den einzigen und wahren Gott aller Menschen. Ein Begriff beschreibt; ein Name ruft an. Ein Begriff wird durch Verallgemeinerung geschaffen; einen Namen lernt man durch Beziehung. Ein Begriff wird verstanden; ein Name genannt.“ (Quelle: Moral Grandeur and Spiritual Audacity, New York 1996)

Der Fokus in der hellenistischen Denkweise liegt hier also auf einer sehr intellektuellen Theologie, die grundlegende Sätze und Gedanken der Bibel nimmt und sie in ein systematisch und philosophisch logisches Gesamtgefüge einbindet. Es geht nicht um eine Beziehungstheologie, bei der es um die Erforschung des gegenüber, also Gott, wäre.

Es ist nun einmal wichtig zu erkennen, dass aus einer „richtigen Lehre“ nicht unbedingt richtiges Denken hervorgeht. Denn die Schriftgelehrten und Pharisäer setzten sich auf den „Lehrstuhl Mose“ und verstanden nicht, was Jesus sagte und brachte.

Dann wandte sich Jesus an die Menschenmenge und an seine Jünger: „Die Gesetzeslehrer und die Pharisäer“, sagte er, „sitzen heute auf dem Lehrstuhl des Mose. Richtet euch deshalb nach dem, was sie sagen, folgt aber nicht ihrem Tun. Denn sie selbst handeln nicht nach dem, was sie euch sagen. Sie bürden den Menschen schwere, fast unerträgliche Lasten auf, denken aber nicht daran, die gleiche Last auch nur mit einem Finger anzurühren.“ Matthäus 23,1-4

Die Schriftgelehrten hatten zwar die richtige Lehre, da ihnen aber die Kraft/Vollmacht, die aus der Kenntnis der Schriften und der Beziehung zu dem, der das lebendige Wort ist, fehlte, war ihr Denken verirrt. „Ihr irrt, weil ihr die Schriften nicht kennt noch die Kraft Gottes.“ Mt. 22,29. Also, der rein menschliche, verstandesmäßige Zugang zum Wort Gottes reichte bei weitem nicht aus, um Gott in der Schrift und in der Kraft zu erkennen. Deshalb ist der Appell des Paulus in Rö. 12,2 eine Einladung in Beziehung zu dem zu treten, der das Denken so verändern kann, dass wir SEINEN Willen, was gut ist, was Gott gefällt und was zum Ziel führt, verstehen und umsetzen können.

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